Porträt
Aktuelles
Veranstaltungen
Presseberichte
Links
Literaturtipps
Verein Helle Köpfe
Verein Pfiffikus
Impressum

Hochbegabte Mädchen leiden bei Unterforderung still
Pforzheimer Zeitung vom 13.07.2023
Pädagogin Ingvelde Scholz klärt über mögliche Ursachen für geringe Förderung von hochbegabten Mädchen auf.

Von Nico Roller


Wenn ein Kind hochbegabt ist, dann hat es in der Schule nur gute Noten. Dann merkt man sofort, dass es mehr kann als seine Klassenkameraden. Das glauben viele, doch das stimmt so überhaupt nicht. Erst recht nicht in Bezug auf Mädchen, bei denen eine Hochbegabung deutlich seltener bemerkt und gefördert wird als bei Jungen, obwohl sie genauso oft vorkommt. „50 Prozent der hochbegabten Kinder werden nicht als solche erkannt“, sagt Ingvelde Scholz, die genau weiß, wovon sie redet. Denn die Studiendirektorin ist nicht nur Leiterin der Profilgruppe Begabten- und Hochbegabtenförderung am Seminar in Stuttgart, sondern auch Lehrerin am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach am Neckar, an dem sei den Hochbegabtenzug leitet. Zudem engagiert sie sich im Förderverein „Pfiffikus“, arbeitet als Autorin und Referentin.
Bei einem Vom Pforzheimer Zonta-Club in Kooperation mit der Stadtbibliothek organisierten Vortragt geht es in erster Linie um ein Problem, gegen das Scholz schon lange ankämpft: darum, dass Mädchen zwar genauso oft hochbegabt sind wie Jungen, aber deutlich seltener entsprechend gefördert werden. Vor gut gefüllten Rängen macht die Expertin deutlich, dass ein hochbegabtes Kind nicht zwangsläufig gute Noten mit nach Hause bringen muss, dass ein überdurchschnittliches Fähigkeitspotenzial nicht mit Leistung gleichgesetzt werden darf.

Bedingungen müssen stimmen
Damit sie zum Vorschein komme, brauche es Motivation, Übung und fördernde Umweltbedingungen. Hinweise auf eine Hochbegabung können unter anderem das schnelle Erfassen neuer Inhalte, ein gutes Langzeitgedächtnis und eine hohe Konzentrationsfähigkeit sein, zudem der Umstadt, dass das Kind schon lesen und rechnen kann, bevor es in die Grundschule geht. Je nach Definition gelten all jene als hochbegabt, die einen Intelligenzquotienten (IQ) von mehr als 125 erreichen. Was laut Scholz bei ca. 5 Prozent der Bevölkerung der Fall ist. „In einer Regelklasse könnten demnach im Durchschnitt ein bis zwei hochbegabte Kinder sitzen.“ Dass bei Mädchen eine Hochbegabung seltener erkannt wird als bei Jungen, führt sie auf eine ganze Reihe von Gründen zurück. Unter anderem auf den Umstand, dass Mädchen in der Regel deutlich breiter gestreute Interessen haben als Jungen. Will heißen: Während Mädchen vielen Interessen nachgehen, spezialisieren sich Jungen früher auf ein Themengebiet, in dem sie dann durch außergewöhnliche Leistungen mehr auffallen.
Hinzu kommt laut Scholz, dass Mädchen oft ein geringeres Selbstwertgefühl haben als Jungen, die Herausforderungen eher positiv sehen und sich ihren Erfolg mit eigener Leistung erklären. Mädchen neigen eher dazu, die Ursache für Erfolg in äußeren Faktoren zu suchen. Etwa, indem sie eine gute Note darauf zurückführen, dass die Klassenarbeit leicht war. Scholz weiß, dass hochbegabte Mädchen oft versuchen, sich anzupassen und ihre Unterforderung nicht zu zeigen. Was im schlimmsten Fall sogar zu psychosomatischen Beschwerden führen kann. Unterforderte Jungen dagegen machen eher auf sich aufmerksam, indem sie z.B. zum Klassenclown werden.
Um Hochbegabungen bei Mädchen besser erkennen und fördern zu können, hält Scholz es für wichtig, ihr Selbstvertrauen zu stärken, gerade in Sport und den MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In letzteren hält sie es für sinnvoll, Mädchen zeitweise getrennt von Jungen zu unterrichten. Zudem brauche es mehr weibliche Vorbilder, Förderangebote, professionelle Unterstützung bei der Studien- und Berufswahl, aber auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Scholz verweist unter anderen auf die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind und die Zonta-Clubs, die sich sehr für die Förderung hochbegabter Mädchen und Frauen einsetzen.