Porträt
Aktuelles
Veranstaltungen
Presseberichte
Links
Literaturtipps
Verein Helle Köpfe
Verein Pfiffikus
Impressum

Hilfestellung für Eltern und Lehrer
Ludwigsburger Kreiszeitung vom 19.09.2012

Infotag am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach widmet sich der Förderung von Hochbegabten – Bessere Vernetzung angestrebt

VON SABINE FRICK

Mein Kind ist hochbegabt – für viele Eltern ist diese Erkenntnis oft mehr Belastung als Grund zur Freude. Denn Kinder, deren Leistungsvermögen aus dem Rahmen des Üblichen fällt, haben es entgegen der landläufigen Meinung in der Schule nicht zwingend leichter. Oder sie fallen sogar negativ auf, wenn ihre Begabung nicht erkannt wird und die Unterforderung aus ihnen den Klassenkasper oder einen Zappelphilipp macht.

Gleiches Recht für alle

„Schüler mit einer besonderen Begabung haben das gleiche Recht auf Förderung wie Kinder, die langsam lernen“, sagt Ingvelde Scholz, die am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) Hochbegabte unterrichtet und außerdem Vorsitzende des Fördervereins „Pfiffikus“ ist. Zusammen mit 30 im Verein engagierten Eltern organisiert sie Anfang Oktober einen „Infotag Begabtenförderung“. Er soll Eltern, Lehrer, aber auch Erzieherinnen Hilfestellung geben, den Austausch Betroffener anregen und dazu beitragen, das Netzwerk der Unterstützung für Hochbegabte enger zu knüpfen.

In Workshops und Gesprächsrunden sollen am 6. Oktober ganz unterschiedliche Aspekte der Begabtenförderung behandelt werden. Wie erkennt man überhaupt ein hochbegabtes Kind? Wie sinnvoll ist es, eine Klasse zu überspringen? Wie lernen Hochbegabte das Lernen? Wie beeinflusst ein hochbegabtes Kind das Familienleben? Lehrer, Pädagogen, Psychologen, aber auch Eltern und Hochbegabte geben zu den verschiedenen Themenfeldern Auskunft, sollen „alltagstaugliche Perspektiven eröffnen“, sagt Ingvelde Scholz.

Danben soll die Veranstaltung vor allem den Eltern die Möglichkeit zum Gedankenaustausch bieten. Wie wichtig das ist, weiß Mitorganisatorin Alexandra Leuchtenberg aus eigener Erfahrung – sie ist Mutter zweier hochbegabter Töchter. „Leider trifft man damit häufig auf Unverständnis, ja auf Anfeindungen. Als unsere jüngste Tochter in der Grundschule eine Klassen übersprungen hat, wurden sogar manche Kontakte abgebrochen“, erzählt Alexandra Leuchtenberg. Sie hat es deshalb umso mehr geschätzt, im Verein „Pfiffikus“ Eltern zu treffen, die mit denselben Problemen kämpfen: „Es hilft zu sehen, dass die Thematik auch andere betrifft, man findet da große Verbundenheit.“

Ulrike und Thomas Schlucke haben drei hochbegabte Söhne. Ulrike Schlucke hält es für besonders wichtig, dass Eltern, Lehrer, aber auch schon die Erzieherinnen im Kindergarten mehr Sensibilität für das Thema Hochbegabung entwickeln – und gemeinsam darüber reden. Bei einem ihrer Söhne vermutete die Lehrerin in der ersten Grundschulklasse eine Mathematikschwäche – weil der Junge beim Lösen von Rechenaufgaben mit Hilfsmaterialien gespielt hat. „Erst nach und nach wurde klar, dass er die Aufgaben schon längst gelöst hatte und aus Langeweile spielte“, berichtet Ulrike Schlucke. Und dass der Knirps schon vor der Einschulung lesen konnte, ließ er sich nicht anmerken – weil er nicht auffallen wollte.

Die Mutter weiß aus Erfahrung, „dass Unterforderung genauso weh tun kann wie Überforderung“. Dass hochbegabte Kinder, deren Potenzial nicht erkannt wird, psychosomatische Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen zeigen können. Ein Leidensweg, der sich vermeiden lässt, wenn die Begabung frühzeitig erkannt wird.

Ingvelde Scholz wünscht sich, dass die Notwendigkeit der Begabtenförderung in der Öffentlichkeit künftig genauso akzeptiert wird wie der Nachhilfeunterricht für schwächere Schüler. Auch dazu soll der Infotag einen Beitrag leisten.

Klassen für Hochbegabte

Das Friedrich-Schiller-Gymnasium Marbach ist das einzige Gymnasium im Landkreis mit jeweils einer Klasse für Hochbegabte. Wie Lehrerin Ingvelde Scholz erklärt, haben die „H-Klassen“ pro Woche zwei Stunden weniger Unterricht, dafür gibt es ein fächerübergreifendes Vertiefungsangebot, das zwei Lehrkräfte machen („team teaching“). Der Bildungsplan entspricht laut Scholz dem der regulären Klassen, allerdings mit weniger Wiederholungsphasen; dafür werde „problemlösendes Denken“ früher eingeführt. „Insgesamt wird der Stoff in einer größeren Tiefe behandelt, sind Nachfragen der Schüler ausgeprägter.“

Bevor sie in eine Klasse für Hochbegabte aufgenommen werden, müssen sich die Schüler bewerben. Danach erfolgt entweder ein Gruppentest an der schulpsychologischen Beratungsstelle in Ludwigsburg oder ein Einzeltest an der Universität Tübingen. Ist die Hochbegabung bestätigt, wird an der Schule ein Aufnahmegespräch mit dem Schüler und seinen Eltern geführt.
Alexandra Leuchtenberg, Mutter zwei hochbegabter Töchter, bestätigt, dass sich die Kinder in diesen Klassen wohlfühlen. „Sie dürfen mehr fragen, sie dürfen mehr wissen, ohne dafür gleich als kleine Einsteins verspottet zu werden – das tut den Kindern gut.“