Porträt
Aktuelles
Veranstaltungen
Presseberichte
Links
Literaturtipps
Verein Helle Köpfe
Verein Pfiffikus
Impressum

Hochbegabung ist kein Risikofaktor
Ingvelde Scholz bei der Weinstädter Vortragsreihe

Waiblinger Kreiszeitung vom 11.01.2008

„Hat es alles früher nicht gegeben“, sagt eine resolute Frau angenervt zu den Eltern eines hochbegabten Kindes. Dieser Cartoon repräsentiert wohl immer noch die Einstellung im Lande kleinen Genies gegenüber.
„Aber“, meint die Leiterin der Projektgruppe Hochbegabtenförderung, Ingvelde Scholz, „wir sind auf dem richtigen Weg“.

VON MARISOL SIMON

Bester Beweis: die Akademie, die in Weinstadt noch in diesem Jahr an den Start gehen soll. Das Interesse an den Veranstaltungen ist groß, das Thema Hochbegabte treibt viele um – Eltern und Lehrerschaft gleichermaßen. Schon die Auftaktveranstaltung der vom Landratsamt gemeinsam mit der Stadt Weinstadt veranstalteten Vortragsserie „Besonders begabte Kinder und Jugendliche“ war ausnehmend gut besucht. Über „mögliche Problem- und Fragestellungen von hochbegabten Kindern“ referierte nun Ingvelde Scholz, Lehrerin am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach und Leiterin der Projektgruppe Hochbegabtenförderung in der Mensa des Bildungswerkes.

Die gute Nachricht vorab: „Hochbegabung ist kein Risikofaktor – das sind ganz normale Menschen, sie sind nur etwas intelligenter als andere.“ Dennoch hat ein hochbegabtes Kind mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Das kann schon damit anfangen, dass es nicht als solches erkannt wird. Schlimm für den hellen Kopf, denn die Begabung als Befähigung zu außerordentlichen Leistungen kann nur erbracht werden, wenn die Motivation da ist, die Umweltbedingungen stimmen und daran gearbeitet wird („üben, üben, üben!“).

Besonders traurig sind die sogenannten Underachiever (Minderleister) dran. Scholz erzählt die Fallgeschichte eines typischen Underachievers: Stefan war in der Grundschule leistungsmäßig ganz vorn, verschlechterte sich jedoch im Gymnasium zusehends. Er war frustriert, fing an zu stören, wurde zum Klassenclown. Niemand konnte oder wollte Stefans Potenzial erkennen, und so stand auch nicht die Förderung, sondern die Disziplinierung seines störenden Verhaltens im Mittelpunkt So oder so ähnlich das das Schicksals vieler verkannter Hochbegabter aus. Sie gelten schlicht als verhaltensgestört. „Wir neigen dazu, gut angepasste Kinder als begabt einzuschätzen und schwierige Kinder als weniger begabt“, erklärt Scholz. Psychologisch verständlich – aber fatal für die Betroffenen.

Woran aber erkennt man eine Hochbegabung? Die Studiendirektorin Scholz hat eine Merkmalsliste für Eltern und Lehrer erstellt. Da sind zum einen die kognitiven Merkmale, etwa Wissbegier, abstraktes und logisches Denken, außergewöhnliche Gedächtnisleistungen oder die nichtkognitiven Merkmale wie das Überspringen von Entwicklungsphasen, starkes Bedürfnis nach Selbststeuerung und Perfektionismus.
Wirklich Aufschluss kann jedoch nur ein diagnostisches Testverfahren geben, mit dessen Hilfe die Höhe der Intelligenz und Begabungsschwerpunkte gemessen werden. Werte, mit denen schlussendlich der Intelligenzquotient ermittelt wird. Ab einem wert von 130 kann von einer Hochbegabung gesprochen werden. Das trifft auf zwei bis drei Prozent der Bevölkerung zu und ist bei Jungen und Mädchen gleich verteilt. Aber damit fängt es erst an. Den stolzen Eltern wird ziemlich schnell bewusst, dass es richtig Mühe bedeuten kann, ein hochbegabtes Kind zu fördern. Eine Mutter, die zwei hochbegabte Kinder durch die Schulen „schleust“, ließ ihrem Frust über die bürokratischen Hürden freien Lauf: „Ich muss mich immer wieder kämpfen“, meinte sie „und manchmal bin ich es so richtig leid.“