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"Diese Schüler waren bei uns vergessen"
Gmünder Tagespost, Artikel vom 23.12.2004

LANDESGYMNASIUM / Kompetenzzentrum erforscht Lernweise der Hochbegabten und entwickelt daraus Unterrichtsmethoden

"Andere Länder sind hier viel weiter, bei uns sind die Schüler am anderen Ende der Leistungsskala bislang vergessen worden." In einem Satz nennt Ingvelde Scholz, die Leiterin des Kompetenzzentrums am Landesgymnasium für Hochbegabte, den Grund, weshalb ein solches Zentrum Sinn macht.

VON MICHAEL LÄNGE

Schwäbisch Gmünd - Was die Pädagogin meint: Leistungsschwache Schüler werden in Deutschland schon seit Jahrzehnten gefördert. Und das findet Scholz auch richtig. Dass jedoch besonders begabten Schülern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, das spürte die Lehrerin für Evangelische Theologie und Lateinschon bald nach Ende ihrer Ausbildung, als sie am Heubacher Rosenstein-Gymnasium und am Gmünder Scheffold-Gymnasium unterrichtete. Von da an begann sie sich für das Thema Hochbegabung zu interessieren.

Dieses Interesse baute Ingvelde Scholz aus, als sie, parallel zum Unterricht am Stuttgarter Seminar für Referendar-Ausbildung tätig war. Sie organisierte eine Begabten-AG und begann mit offenem Unterricht, der stärker auf unterschiedliche Voraussetzungen bei den Schülern eingeht. Und Scholz arbeitete lange vor der Eröffnung des Landesgymnasiums für Hochbegabte an der pädagogischen Konzeption für dieses mit. Mit all diesen Voraussetzungen war sie geradezu prädestiniert für die Leitungsstelle des Kompetenzzentrums, als diese Position ausgeschrieben worden war.

Team-Teaching als Methode

Bei Ingvelde Scholz´ heutiger Tätigkeit ergänzt der eine Arbeitsbereich den anderen. Sie unterrichtet am Landesgymnasium für Hochbegabte und entwickelt dabei, in Abstimmung mit dem Kollegium der Schule, hochbegabtenspezifische Unterrichtsmethoden. Ihre Arbeitsweise ist dabei zunächst die Beobachtung. Verhalten und Reaktionen der Schüler werden beobachtet und so wird die Frage beantwortet, wie diese Schüler lernen. Worauf konzentrieren sie sich. Wie reagieren sie auf Wiederholungen. Daraus werden Unterrichtsmethoden entwickelt. Beispielsweise das so genannte Team-Teaching. Dies bedeutet, dass zwei Lehrer gleichzeitig in einer Klasse unterrichten.

"Eine neue Form, die wir ausprobieren", sagt Scholz. Die beiden Pädagogen können dabei parallel auf unterschiedliches Vorwissen und unterschiedliche Voraussetzungen eingehen. Oder aber Lehrende bieten bei einem literarischen Text unterschiedliche Interpretationen. "Dies wirkt anregend auf die Schüler, weil sie so selbst nachdenken und eigene Positionen beziehen", sagt Scholz. Auch fördere dies Toleranz und das Mehrdimensionale.

Eine weitere Aufgabe des Kompetenzzentrums ist es, die Schüler individuell zu beraten und zu begleiten. Dafür gibt es auch zwei Psychologinnen. Diese versuchen den Schülern bei persönlichen wie auch bei schulischen Problemen zu helfen. Wenn ein Schüler beispielsweise Heimweh hat. Oder wenn der Wechsel von zuhause schwer fällt.

Bei all dem ist das Kompetenzzentrum des Landesgymnasiums für Hochbegabte keine Insel auf dem Unipark. Denn von den gewonnenen Erkenntnissen sollen andere Schulen im Land profitieren. Dafür verfolgt Scholz mehrere Wege. In Gmünd sucht sie Kontakt zu den Schulen,will Schüler gewinnen für eine Ferienakademie am Ende der Sommerferien 2005. Von Lehrern vorgeschlagene Grundschüler kommen dabei ans Hochbegabtengymnasium. Experten kommen von außen und bieten an, was es in den Schulen ansonsten nicht gibt. Meeresbiologen beispielsweise. Astronomie oder Theater- und Zirkuspädagagik.

Ein weiterer Weg: Zur festen Einrichtung soll eine Infobörse für Hochbegabung werden, die vor wenigen Tagen erstmals in Stuttgart-Hohenheim stattfand. Mit mehr als 800 Besuchern, sagt Ingvelde Scholz, die sich alle über dieses Thema informierten. Ein dritter Weg: In Gmünd bietet die Volkshochschule am 17. Februar einen Vortrag zum Thema "Hochbegabung im Erwachsenenalter" an , bislang, sagt Ingvelde Scholz, "ein blinder Fleck".

Kontakte ins Ausland

Kontakte gibt es von Gmünd aus inzwischen auch ins Ausland. Nach Österreich, nach Polen - dort gibt es auch ein Kompetenzzentrum - oder nach Großbritannien und in die Niederlande zu Professor Franz Mönks, in Sachen Hochbegabung für Ingvelde Scholz "der Experte schlechthin". Oder aber ans Leo-Baeck-Institut in Haifa in Israel: Dort war Scholz in den Herbstferien. Und kam mit der dort herrschenden Erkenntnis zurück, "dass es Hochbegabten gut tut, wenn sie mit Kindern zusammen sind, die gleich ticken". Für Ingvelde Scholz eine Bestätigung, dass der Weg, der in Gmünd fürs ganze Land eingeschlagen wurde, der richtige ist.