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„Auch Hochbegabte brauchen Förderung“
Magazin Schule 16, Frühjahr/Sommer 2005

SEIT SEPTEMBER 2004 GIBT DAS KOMPETENZZENTRUM FÜR HOCHBEGABTENFÖRDERUNG FACHKUNDIGEN RAT FÜR HOCHBEGABTE

Das Land Baden-Württemberg hat mit dem Kompetenzzentrum für Hochbegabtenförderung (KH) am Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd (LGH) einen weiteren Baustein zur landesweiten Beratung und Förderung von besonders begabten Kindern und Jugendlichen geschaffen. Eine erste Bilanz der Einrichtung kann sich sehen lassen.

VON KLAUS KEHL

Im Arbeitszimmer der beiden Diplom-Psychologinnen Christine Ribisel und Verena Wespel steht das Telefon während der offiziellen Sprechstunden nicht still. Seit September 2004 hat es sich in Elternkreisen, bei Lehrkräften, Erziehenden sowie Schülerinnen und Schülern herumgesprochen, dass man sich im KH rund ums Thema Hochbegabung fachkundigen Rat holen kann. Dabei kommen die unterschiedlichsten Themenbereiche zur Sprache: Früheinschulung, Wahl der weiterführenden Schule, Diagnostik von Hochbegabung, Umgang mit schulischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten und besondere Bedürfnisse Hochbegabter sowie schulische und außerschulische Förderangebote.

Mit der landesweiten Beratung erschöpft sich der Aufgabenbereich noch nicht. Das KH steht als eine der drei Säulen des Landesgymnasiums für Hochbegabte in enger Kooperation mit der Schule und dem Internat und arbeitet in vielen Bereichen mit den Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften zusammen.

Das Kompetenzzentrum ist außerdem am Schüler-Aufnahmeverfahren des Landesgymnasiums für Hochbegabte beteiligt und für den diagnostischen Teil verantwortlich. Darüber hinaus führt es regelmäßige Erhebungen durch, um systematisch die bislang gemachten Erfahrungen auszuwerten.
Schließlich will das KH gemeinsam mit den Lehrenden und den Schülerinnen und Schülern des Landesgymnasiums spezielle Förderkonzepte für Hochbegabte entwickeln, die auch anderen Schulen und pädagogischen Einrichtungen über Informationsveranstaltungen und Fortbildungen zugänglich gemacht werden sollen.

KOOPERATIONEN ÜBER DEN STANDORT HINAUS

Neben der Kooperation mit dem Landesgymnasium für Hochbegabte arbeitet das Kompetenzzentrum mit schulischen, außerschulischen und universitären Einrichtungen zusammen, die Förderangebote für besonders begabte Schülerinnen und Schüler anbieten oder diese neu entwickeln möchten. So hat das Zentrum gemeinsam mit dem Linden-Museum, dem Karls-Gymnasium und dem Seminar in Stuttgart ein Projekt auf den Weg gebracht, das der interdisziplinären und ganzheitlichen Förderung besonders begabter und interessierter Kinder und Jugendlicher gewidmet ist.

Eine weitere Aufgabe des Kompetenzzentrums ist die Organisation von Wochenend und Ferienakademien. In Kooperation mit der Klösterle-Grundschule Schwäbisch Gmünd organisiert es beispielsweise eine Ferienakademie für Grundschülerinnen und Grundschüler aus Schwäbisch Gmünd und Umgebung. Dort können die Kinder neben Kursen in Astronomie und Meeresbiologie in einer Kunstfälscherwerkstatt tätig sein.

WAS IST „HOCHBEGABUNG“?

Ein wichtiges Anliegen im Kompetenzzentrum ist die Beantwortung aller Anfragen zum Thema Begabung von Kindern und Jugendlichen und deren Fördermöglichkeiten.
„Was sind das für Kinder, die als ‘hoch begabt’ bezeichnet werden?“ ist dabei eine häufig gestellte Frage. Die Antwort darauf fällt Ingvelde Scholz, Leiterin des Kompetenzzentrums in Schwäbisch Gmünd, nicht schwer: „Die oder den Hochbegabten gibt es nicht!“ Ingvelde Scholz wehrt sich entschieden gegen eine Vereinfachung des komplexen Themas. In zahlreichen Untersuchungen habe man zwar festgestellt, dass bei hoch begabten Kindern gewisse Merkmale und Eigenschaften häufiger anzutreffen seien als bei anderen Kindern, dennoch seien hoch begabte Kinder und Jugendliche genauso unterschiedlich wie normal Begabte.
Im Übrigen könne hier ohnehin nur ein von kompetenten Fachleuten durchgeführtes Diagnoseverfahren Klarheit verschaffen.

BESONDERE KENNZEICHEN?

Als besondere Kennzeichen einer außergewöhnlichen Begabung werde allerdings häufig beobachtet, dass solche Kinder ganze Entwicklungsphasen überspringen, beispielsweise nicht krabbeln, sondern gleich zu laufen beginnen. Andere seien in der Lage zu lernen, ohne zu üben, was manchmal durchaus als Erklärung für die vielen Dramen dienen könne, die sich dann am Nachmittag zu Hause abspielten, wenn langweilige Hausaufgaben zu erledigen seien. Vielfach sei bei hoch begabten Kindern auch zu beobachten, dass sich diese bereits im Kindergartenalter selbst das Lesen und Schreiben beibrächten.
Typisch für hoch begabte Kinder sei oftmals ein Ungleichgewicht zwischen intellektuellem Wollen und körperlichem Tun. Diese Disharmonie wirke auf viele hoch begabte Kinder angesichts ihrer hohen Sensibilität besonders belastend.

So könne es etwa bei einem dreijährigen Kind zu Spannungen und großer Unzufriedenheit führen, wenn es zwar schon die Buchstaben beherrsche, aber aufgrund fehlender feinmotorischer Fähigkeiten noch nicht in der Lage sei, diese zu Papier zu bringen. „In der Schule“, so Scholz, „machen Hochbegabte in der Regel über ihre sehr rasche Auffassungsgabe, ihr hohes Abstraktionsniveau, ihre schnelle Informationsverarbeitung, ihr außergewöhnliches Gedächtnis und ihre hohe Konzentrationsfähigkeit auf sich aufmerksam und sind oft in der Lage, vorgegebene Lernwege zu hinterfragen und ihre Lehrer und Mitschüler mit kritischen, manchmal auch ungewöhnlichen Lösungsvorschlägen zu überraschen und zu verunsichern.

Dies führt nicht selten zu Spannungen in der Klasse. Manche hoch begabte Schülerinnen und Schüler leiden gar unter sozialer Ausgrenzung.“ Insgesamt resümiert Ingevelde Scholz, müsse aufgrund dieser Situation ein Verständnis für Hochbegabte entwickelt werden. Grundlage dafür sei ein wachsamer Blick und ein offenes Ohr für die Betroffenen.

UNTERSTÜTZUNG DURCH INFORMATION

Deshalb will das KH nicht nur auf die Probleme hinweisen, sondern auch Mut machen und unterstützen. So führt es zahlreiche Informations- und Fortbildungsveranstaltungen durch, in denen Beratungs- und Fördereinrichtungen vorgestellt werden.
Bereits am 4. Dezember 2004 fand in der Universität Hohenheim eine Infobörse zum Thema Hochbegabung statt, auf der über 20 Referentinnen und Referenten zum Thema Hochbegabung gesprochen und Beispiele einer gelungenen Begabtenförderung vorgestellt haben.
Über 850 neugierige Besucher haben gezeigt, dass das Thema Hochbegabtenförderung auf zunehmendes Interesse stößt und das KH mit seinen Angeboten auf dem richtigen Weg ist.