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Statt ausgezeichneter Noten hoher Leidensdruck
Weinheimer Nachrichten vom 14.07.2005

Vortrag von Ingvelde Scholz über hoch begabte Kinder und ihre Förderung

Weinheim (ur) Hoch begabte Kinder erkennen und fördern – damit beginnt die Pädagogik erst jetzt. Für lernschwache Kinder wurden hingegen seit langem eine spezielle Förderdidaktik entwickelt. Gemeinhin stellt sich die Gesellschaft hoch begabte Kinder und Jugendliche als glänzende Schüler vor, die eine problemlose Schullaufbahn haben und den Lehrern und Eltern mit hervorragenden Noten Freude machen. Welcher Leidensdruck für die Betroffenen und ihre Eltern jedoch entstehen kann, zeigte sich bei der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Begabungen erkennen – Begabte fördern“, zu dem die Leiterin des Kompetenzzentrums für Hochbegabtenförderung Schwäbisch Gmünd, Studiendirektorin Ingvelde Scholz, vor vielen Eltern aus dem ganzen Kreis in der Karrillon-Schule sprach. Eingeladen hatten die Initiative für Erziehung und Bildung (IFEB) sowie der Arbeitskreis Kindergärten/Schule des CDU-Stadtverbandes, für die Dr. Annemarie Hehlmann in die Thematik einführte.

Keine Erfolgsgarantie
„Hochbegabung ist keine Garantie für beruflichen Erfolg“, erklärte Ingvelde Scholz. Eine positive Entwicklung nehme das hoch begabte Kind durch Motivation, Übung und fördernde Umgebung. Dies aber sei in der Bundesrepublik noch selten der Fall. „Lehrer lassen sich vor allem von Noten beeinflussen.“ Ihr Urteil sei auch maßgeblich vom Temperament des Schülers beeinflusst. „Gut angepasste Schüler gelten bei Lehrern als intelligenter, da sich die Lehrer dadurch selber mehr anerkannt fühlen“, erklärte die Studiendirektorin in erfrischender Offenheit.
Dies schuf für die Eltern ein Klima der vertrauensvollen Aussprache. Dabei wurde deutlich, wie groß die Probleme der hoch begabten Kinder und ihrer Eltern sind. Die Kinder haben die „Strebenangst“, wollen nicht ausgegrenzt werden. Sie erfahren in der Schule weniger Unterstützung und Anerkennung und verbergen oft ihre Fähigkeiten. Sie sitzen jahrelang unterfordert und gelangweilt im Klassensaal, weil sie ihr Leistungsvermögen nicht ausschöpfen können. Dabei werden sie sehr oft zu Leistungsversagern und verweigern auch selbst bewusst Schulleistungen oder werden zu Störern im Unterricht.

Merkliste für Eltern
Hoch begabte Kinder belasten oft mit ihrem Wissensdurst die Familie. Bei Psychologen und Pädagogen stoßen die Eltern in vielen Fällen auf wenig Verständnis. „Mir wurde empfohlen, meinem Kind das Medikament Ritalin zu geben und eine Therapie mit ihm machen zu lassen. Es verweigert sich im Schulalltag“, berichtete bedrückt eine Mutter.
Woran erkennt man überhaupt Hochbegabte? Die Studiendirektorin stellte dazu die folgende Merkliste für Eltern auf: Diese Kinder sind oft lebhaft und haben ein geringes Schlafbedürfnis; sie überspringen manchmal Entwicklungsphasen, haben Auffälligkeiten beim Sprachverhalten wie gute Grammatik und ungewöhnliche Ausdrücke, haben vorzeitige Lese- und Rechenfähigkeiten; sie sind sensibel, neugierig und wissbegierig und pflegen häufig Kontakte zu gleich befähigten, älteren Kindern und Erwachsenen.
In der Merkliste für Lehrer finden sich folgende Merkmale für hoch begabte Kinder: abstraktes und logisches Denken, schnelle Informationsverarbeitung, außergewöhnliche Gedächtnisleistungen. Sei haben außerdem ein hohes Energieniveau und hohe Sensibilität sowie ein starkes Bedürfnis nach Selbststeuerung. Sie lehnen psychische und physische Gewalt ab, haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, neigen zu Perfektionismus und haben ein Gefühl der Andersartigkeit.
Hochbegabung beginnt bei einem Intelligenzquotienten von 130. Überspringen diese Kinder mehrere Klassen, so haben sie das Problem, dass sie zwar von der Intelligenz den Anforderungen gewachsen sind, aber emotional erneut als Außenseiter wahrgenommen werden. Viele Eltern machten sich gerade darum Sorgen. „Wie kann denn mein Kind mit 15 Jahren auf einer Universität zurechtkommen?“ „Wo gibt es Zusatzangebote oder sogar Fachunterricht in leistungsdifferenzierten Lerngruppen, damit mein Kind nicht in ein Internat gehen muss?“ Das Kompetenzzentrum für Hochbegabtenförderung mit seinem angegliederten Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd bietet hoch begabten Schülern einen speziellen Unterricht im Rahmen einer Internatsunterbringung. Derzeit sind alle Klassen belegt. Es gibt eine Warteliste.

Schulen mit besonderem Profil
Dass allerdings auch an dieser Schule in einer Klasse 24 Schüler unterrichtet werden, verwunderte einige Eltern. Auch wurde über erheblichen Lehrermangel an den öffentlichen Schulen geklagt. „Wir verwalten ein Defizit“, sagte eine Lehrerin, die selbst ein hoch begabtes Kind hat. Eine Kostenfrage nannte Landtagsabgeordneter Georg Wacker die Anzahl der Lehrer und verwies darauf, dass Baden-Württemberg noch einen „wachsenden Schülerberg“ habe. Hochbegabtenförderung sei im Übrigen auch für ihn noch eine neue Aufgabe. Schule und Gesellschaft würden von der Hochbegabtenförderung profitieren, so betonte Ingvelde Scholz.