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Besondere Förderung für besonders Begabte
Waiblinger Nachrichten vom 24.03.2006

Auftaktveranstaltung für Eltern und Lehrer in der Jahnhalle / Das Problem ist, die Supergescheiten zu erkennen

Weinstadt
Dass schwache Kinder in der Schule unterstützt werden müssen, bestreitet heute kaum noch einer. Doch auch besonders begabte Kinder brauchen besondere Förderung und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern und Lehrer, sagte Ingvelde Scholz bei der Auftaktveranstaltung der Begabtenförderung in Weinstadt.  Weil’s „nichts Ungerechteres als die gleiche Behandlung ungleicher Menschen gibt.“

Von unserem Redaktionsmitglied Jutta Pöschko

„Das Thema ist enttabuisiert“, stellt Oberbürgermeister Jürgen Oswald beim Auftakt einer Vortragsreihe für Eltern und Lehrer in der Jahnhalle fest: „Wir brauchen die Förderung der Schwachen, aber auch der Begabten.“
Und die steht derzeit im Mittelpunkt in Weinstadt. In den Osterferien beginnen für begabte und interessierte Grundschüler die ersten Forschertage, die der Oberbürgermeister in der Stadt gern fest verankern würde. Ein Anfang ist gemacht: 15 Weinstädter Unternehmer hätten ihre Unterstützung bereits zugesagt, berichtete er: „Die Wirtschaft ist dabei, das sollte uns ermutigen.“
Besonders begabte Kinder brauchen besondere Förderung – und wer sollte die ihnen zukommen lassen, wenn nicht ihre Eltern und Lehrer? Doch die erkennen hochbegabte Kinder manchmal nicht einmal, wenn sie direkt vor ihnen stehen. Supergescheite Kinder sind nämlich keineswegs immer Käpsele in der Schule. Manchen von ihnen finden die Schule sterbenslangweilig, sind aufmüpfig, unangepasst und erreichen noch nicht einmal das Klassenziel.
„Hochbegabung ist keine Garantie für Erfolg in Schule und Beruf“, betonte Ingvelde Scholz, die Leiterin der Projektgruppe Hochbegabtenförderung am Lehrerseminar in Stuttgart. Motivation, Übung und förderliche Umweltbedingungen seien mindestens genauso wichtig. „Und da sind wir gefragt, Eltern, Lehrer und Freunde. Nur wenn Unterstützung kommt, wird aus einer besonderen Begabung auch eine besondere Leistung.“

50 Prozent der Hochbegabten werden nie erkannt

Fakt ist: Viele Hochbegabte werden verkannt und entwickeln sich in der Folge nicht selten zu Eigenbrötlern und Störenfrieden, die mit sich und der Welt im Clinch liegen: „Mehr als 50 Prozent werden nie erkannt“, sagte Ingvelde Scholz. Was unter anderem daran liege, dass sich Lehrer und Lehrerinnen bei ihrer Beurteilung stark von der Schulleistung des Kindes leiten ließen,. Zum anderen werde die Einschätzung vom Temperament der Schüler beeinflusst: „Schüchterne Kinder werden als weniger begabt eingestuft.“ Andererseits kämen angepasste Kinder in der Bewertung ihrer Lehrer oft besser weg als aufmüpfige und kritische.

Besondere Klassen und Angebote sind ein Weg

Dass besonders begabte Kinder – Privilegierte – auch noch besonders gefördert werden sollen, war bis vor kurzem für viele ein absurder Gedanke. Das hat sich geändert: In Schwäbisch Gmünd entstand eine Internat für hochbegabte Kinder, an einigen (wenigen) Gymnasien in Land Baden-Württemberg wie das Karls-Gymnasium in Stuttgart gibt es Extra-Züge. In kleineren Städten werden Kinderunis und Forschertage ins Leben gerufen. „Es gilt, die Kinder anzuerkennen“, forderte Ingvelde Scholz. Erwachsene müssten dann aber auch ihre eigenen Denkmuster kritisch hinterfragen und Sätze wie „Das ist noch nichts für dich“ oder „Dafür bist du noch zu jung“ ganz schnell vergessen.
Lehrer, die besonders begabte Kinder fördern wollen, sollten ihnen offene Lernformen anbieten und ihnen nicht mehr Aufgaben, sondern anspruchsvollere Aufgaben stellen. Auch das Überspringen von Klassen oder das frühe Einschulen seien Möglichkeiten, unterforderten Kindern besser gerecht zu werden.
Eine Zuhörerin meldete Zweifel am Sinn früher Einschulung an; Kinder, die früh in die Schule kommen, hätten in der Klasse oft Probleme mit dem Sozialverhalten, gab sie zu bedenken. Dies bestätigte Scholz allerdings nicht: „Früheinschulungen verlaufen in den meisten Fällen positiv. Wichtig ist, dass das Kind die entsprechende Begabung mitbringt und dass es das Kind, die Eltern und Lehrer überhaupt wollen.“
Beim Überspringen einer Klasse habe es sich in der Praxis oft bewährt, wenn ein Kind die neue Klasse erst mal kennen lernt, um herauszufinden, ob es sich dort auf Dauer wohl fühlen kann.