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Ein Stützpunkt für Begabte
Stuttgarter Nachrichten vom 23. 11.2 007

Das Friedrich-Schiller-Gymnasium bekommt Sonderklassen und eine Kinderakademie

Begabte werden am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach künftig stark gefördert. Das Kultusministerium hat spezielle Klassen vom kommenden Schuljahr an genehmigt. Eine Chance bekommen Begabte aber auch in einer Kinder- und Jugendakademie.

VON OLIVER VON SCHAEWEN

Wieder einmal hat der Schulleiter des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums, Günter Offermann, das erreicht, was er wollte: Seine Schule wird künftig zum Stützpunkt der Begabtenförderung im Raum Marbach/Bottwartal. Das liegt nicht nur an der Hochbegabtenklasse, die jetzt genehmigt worden ist, sondern an einem schlüssigen Gesamtkonzept, in das auch alle anderen Schulen des etwa 50 000 Einwohner zählenden Großraums rund um Marbach eingebunden sind.

Die Kindergärten und Schulen in Marbach und der Umgebung werden in den kommenden Wochen Post bekommen. Absenderin ist Ingvelde Scholz. Die Studiendirektorin ist seit diesem Schuljahr Projektleiterin für die Begabtenförderung und unterrichtet nebenbei Latein und evangelische Religion am Friedrich-Schiller-Gymnasium. Die 44-Jährige gilt als die führende Expertin rund ums Thema Hochbegabung und bereist landauf, landab Schulen, um Überzeugungsarbeit zu leisten. In Marbach hat sie das bereits getan: Unter anderem stimmte sie an einem Informationstag die Rektoren der Schulen im Raum Marbach auf das Konzept ein.

Ein erster Schritt ist eine Kinder- und Jugendakademie, die Ende Februar startet. An ihr dürfen Kinder teilnehmen, die von den Kindergärten und Schulen empfohlen werden. An drei Wochenenden kann der hoch motivierte Nachwuchs seinem Forscherdrang freien Lauf lassen. Besonders qualifizierte Pädagogen aus der Forschung, aber auch aus Berufswelten nehmen die Kinder immer freitags, von 14 bis 18 Uhr, und samstags, von 9 bis 13 Uhr, mit in ihre Kurse. Trockene Theorie um ihrer selbst willen hat bei allem Wissensdurst keinen Platz in der Akademie: Zwar werden auch mathematische Spiele und Astronomie angeboten, doch steht das gemeinsame Entdecken und das soziale Lernen im Mittelpunkt. So stehen unter anderem Zirkusakrobatik eine Chemiewerkstatt und Theater auf dem Programm.

Die Qualität der Lehrer ist für Ingvelde Scholz von entscheidender Bedeutung: „Es werden schwierige Fragen gestellt, da erwarte ich Lehrer mit einem gewissen Biss.“ Eine Meeresbiologin aus Kiel hat diesen Drang. Sie wird für die Akademie aus dem hohen Norden anreisen. Die Eltern tragen mit dem Teilnehmerbetrag von 35 Euro pro Wochenendakademie die vollen Kosten. Die Akademie sollen sich aber auch Kinder aus weniger betuchten Familien leisten können. „Wir planen für soziale Härtefälle Rücklagen ein.“

Wichtig ist Ingvelde Scholz die Zusammenarbeit mit bestehenden Begabtenförderungen. Gespräche hat sie unter anderem mit der Kirchbergerin Gudrun Wilhelm geführt, die eine Kinderuni in den Sommerferien ins Leben gerufen hat. Mit ins Boot geholt hat sie aber auch andere Einrichtungen, die mit Hochbegabten Erfahrungen gesammelt haben: das Keltenmuseum Hochdorf etwa oder das Landesgymnasium für Hochbegabtenförderung in Schwäbisch Gmünd.

Vorurteile gegen die Hcohbegabtenförderung gibt es viele, weiß Ingvelde Scholz: „Man schaut immer zuerst auf die Schüler mit Lernschwächen.“ Aber auch die besonders Begabten können für einen Klassenverband zum Problemfall werden. „Wer unterfordert ist, langweilt sich und neigt dazu, den Unterricht zu stören oder sich passiv zu verhalten.“ Nach wissenschaftlichen Untersuchungen haben zwei bis drei Prozent aller Schüler einen Intelligenzquotienten, der höher als 125 liegt. Hochbegabte gilbt es an allen Schularten, ist sich Ingvelde Scholz sicher. Auch deshalb, weil die Begabten oft nicht so extrovertiert sind und deshalb von den Lehrern unterschätzt werden. Bei Mädchen, die nicht als „Streber“ gelten wollen, beobachtet die Studiendirektorin einen besonders hohen Anpassungsdruck. Mit der Fragebogenaktion an den Schulen hofft die Projektleiterin, die Schüler zu finden und ihnen eine angemessene Förderung zukommen zu lassen.

An der eigenen Schule profitiert die Projektleiterin davon, dass es seit dem Schuljahr 2005/2006 bereits eine M-Klasse für besonders motiviert und begabte Schüler gibt. Mit der Hochbegabtenklasse von 2008/2009 an wird dieses Konzept ausgebaut. Künftig soll es in jedem Jahrgang eine Hochbegabtenklasse geben. Eltern von Begabten, die am Bewerbungsverfahren für diese Klassen interessiert sind, rät sie, sich am Montag, 14. Januar, um 20 Uhr im Musiksaal des Gymnasiums, zu informieren. Schulpsychologische Beratungsstellen testen die Kinder kostenlos auf eine Hochbegabung.